Des einen Freud ist des anderen Leid! Nach einem erfüllten Arbeitsleben möchte sicherlich jeder von uns einen wohlverdienten Ruhestand mit langer Gesundheit und finanzieller Sicherheit erreichen.
Für die Generation der Babyboomer – die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 – und auch die frühen Jahrgänge der Generation X ist der Ruhestand nicht mehr weit. Doch zum Leidwesen der Wirtschaft scheidet damit eine große Gruppe des Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland aus dem Arbeitsmarkt aus.
Babyboomer wurden durch die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit geprägt. Ihre Identifikation mit ihrer Arbeit, ihr Leistungswille und -bereitschaft sind sehr hoch und werden vor allem von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen geschätzt. Mit ihrem Austritt aus dem Erwerbsleben verlieren Unternehmen also wichtige Leistungs- und Erfahrungsträger.
Im Folgenden finden Sie einige Fakten und Prognosen zur Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials und der Fachkräftesituation bis 2040.
Ohne Babyboomer sieht es düster aus auf dem Arbeitsmarkt
Wussten Sie, dass bereits heute über 1,3 Mio. Menschen jährlich in Rente gehen? Für die kommenden Jahre wird diese Zahl voraussichtlich weiter steigen.
Rückgang der Fachkräftezahl bis 2040 – droht der Mangel?
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln warnt in seinem IW-Report 11/2021 vor einem grundlegenden Umbruch des deutschen Arbeitsmarktes in den kommenden Jahren. So soll laut Berechnungen in einem Basisszenario der Rückgang der Fachkräftezahl um 12,7 Prozent bevorstehen. In absoluten Zahlen ausgedrückt sinkt die Zahl an Fachkräften von 43,5 Mio. in 2020 auf 38 Mio. in 2040.
Beeinflussen bzw. Abpuffern oder gar Verschlimmern können diese Negativentwicklung noch mögliche Zuwanderungen von Fachkräften aus dem Ausland und die zukünftige Erwerbsbeteiligung der über 60-Jährigen. Die Babyboomer solange wie möglich in Beschäftigung halten wäre eine Strategie für Unternehmen, den Fachkräfteengpass zu entschärfen.
Die von Statista veröffentlichte Prognose zur Anzahl der erwerbsfähigen Personen im Fachkräftebereich differenziert bei der Prognose zum Erwerbspotenzial noch einmal zwischen beruflich Qualifizierten und Akademikern.
Die Problematik, dass immer weniger Schulabsolventen den Weg in die duale Berufsausbildung einschlagen und stattdessen ein Studium mit akademischem Abschluss aufnehmen, wird auch zukünftig bestehen bleiben. Das lässt die Vermutung zu, dass sich Industrie und Handwerk perspektivisch mit immer mehr Nachwuchssorgen auseinandersetzen müssen.
Der Arbeitsmarkt in Ost und West – Unterschiede bei Bevölkerungsentwicklung und der Fachkräftesituation
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat ein „Arbeitswelt Portal“ (www.arbeitswelt-portal.de) initiiert. Hier greift das BMAS auf ein Netzwerk aus Experten und Expertinnen (z. B. Prognos AG, Institut der deutschen Wirtschaft, Institut Arbeit und Qualifikation) zur Berichterstattung über den Arbeitsmarkt zurück.
Das Expertengremium äußert sich auch regelmäßig zu Trends für den deutschen Arbeitsmarkt.
Hier einige wichtige Fakten & Einschätzungen:
- Seit 1990 (Wiedervereinigung schrumpft die Bevölkerung im Osten von 15 Mio. auf 12,5 Mio. Einwohner, im Westen steigt sie um 5 Mio. (67 Mio. Einwohner in 2019)
- Im Osten (ohne Berlin) fallen voraussichtlich ab 2023 zwei Personen im erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Rentenalter. Im Westen nähert sich dieses Verhältnis erst neun Jahre später an.
- Der Beschäftigungszuwachs von 1999 bis 2019 betrug im Osten 6,3 Prozent, dagegen im Westen 26 Prozent.
Bevölkerungsentwicklung in Deutschland auf einen Blick
Belastungsprobe durch Renteneintritt der Babyboomer
Gesellschaft = Wohlstandsverlust bei Staatsfinanzen und Sozialkassen
Wenn aufgrund der demografischen Alterung und der Verrentung der Babyboomer zukünftig weniger Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, hat dieses Auswirkungen auf Ausgaben und Einnahmen des sozialen Sicherungssystems sowie Folgewirkungen für die gesamten öffentlichen Finanzen:
- der Alterssicherung
- der Kranken- und Pflegeversicherung
- der Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung
- der Bildungsausgaben und Familienförderung
Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrer im Nov. 2021 veröffentlichten Studie „Demografische Alterung und öffentliche Finanzen – Wie geht es nach der Covid-19-Krise weiter?“ darauf verwiesen, dass ausgehend vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2019 in Höhe von 27,5 Prozent für die oben angeführten öffentlichen Finanzen eine Erhöhung der Ausgabenquote auf 33,7 Prozent bis 2040 möglich ist.
Demografie-reagible Ausgaben (2000-2080)
Wirtschaft = Fachkräftemangel als Wachstumsbremse
Wenn die Generation der Babyboomer in den Jahren 2025 bis 2035 aus dem Arbeitsmarkt ausscheidet, fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt ca. 5 Mio. Erfahrungsträger. Dieses abnehmende Arbeitskräftepotenzial bremst die Innovationsfähigkeit und das Wachstum von Unternehmen.
Steigende Arbeitskosten resultieren unter anderem daraus, dass die Maßnahmen zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer kostenintensiver werden, insbesondere bei Inanspruchnahme von Stellenbörsen, Social Media Recruiting, Personaldienstleistern oder Headhuntern. Darüber hinaus kostet aber auch die Mehrbelastung der Belegschaft immer mehr Geld, sei es über den finanziellen Ausgleich von Überstunden oder auch zusätzliche Benefits zur Mitarbeiterbindung.
Sofern die Prognosen also zutreffen, dass der Erwerbsaustritt der Babyboomer die Wirtschaft noch mehr leiden lässt als heute schon, wäre es wohl vorrangige Aufgabe der Unternehmerinnen und Unternehmer, die strategische Personalplanung der kommenden Jahre zur Chefsache zu erklären. Durch Arbeitsmarktintegration von Arbeitsuchenden, Erhöhung der Erwerbstätigkeit älterer Menschen, Aufstiegs- und Anpassungsqualifizierungen, Förderung der Zuwanderung von Fachkräften oder bessere Bildungsinvestitionen würde sich die Fachkräftelücke unter Umständen schließen lassen.
Fragen und Antworten zum Thema:
Was versteht man unter dem Begriff „Babyboomer“?
Die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsgeneration bis Anfang der 60er Jahre und deren Kinder werden unter diesem Begriff zusammengefasst – streng genommen von 1946 bis 1968.
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