Im Unternehmensalltag passiert es nicht selten, dass innerhalb kürzester Zeit der Krankenstand wächst – siehe die immer noch anhaltende Corona-Zeit. Wenn dazu noch unbesetzte Stellen kommen, die man schon vor Monaten ausgeschrieben hat und wo es keine Bewerberinnen oder Bewerber für gibt, ist die Not für viele Unternehmen groß.
Mehrarbeit für die Mitarbeitenden, Umverteilung von Aufgaben, Prioritäten verschieben, Kunden vertrösten, anhaltende Stressbelastung der Kollegen – die Liste der Folgen von anhaltender Mehrarbeit ist lang und im schlimmsten Fall droht die Kündigung von langjährigen Leistungsträgern.
Andauernder Personalmangel birgt viele Risken für Unternehmen und bremst vor allem die Wachstumschancen in erheblichem Maße. Hier einige Fakten zur Situation.
In Deutschland sind im Jahr 2021 rund 1,71 Milliarden Überstunden durch die Beschäftigten geleistet worden. Das geht aus einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hervor. Oft trifft es Teilzeitbeschäftigte, deren Anteil an Überstunden am Arbeitsvolumen bei betrieblicher Notwendigkeit steigt.
Vakante Position im Unternehmen erzeugen „weiche“ Kosten
Die sogenannten „weichen“ Kosten unbesetzter Stellen wollen viele betriebliche Entscheidungsträger nicht so richtig wahrhaben. Aber zu den Vakanzkosten gehören auch mangelnde Produktivität, schwindende Mitarbeitermoral bei Dauerbelastungen durch Mehrarbeit oder Auswirkungen auf z. B. Kundenserviceleistungen, wenn es keinen Servicemitarbeiter gibt.
Im Ergebnis: Ihr Unternehmenswachstum und die Skalierung diverser Potenziale stecken fest!
Direkte Einnahmeverluste und Überstundenkosten:
Neukunden können nicht bedient werden, Projekte oder Aufträge werden nicht oder nicht in der gewünschten Form ausgeführt, zusätzliche Vergütung von Überstunden
Reputationsverlust:
Kunden nehmen lange Bearbeitungs- oder Lieferzeiten in Kauf, buchen im Anschluss weniger Aufträge
Moral und Leistung der bestehenden Belegschaft gerät in Mitleidenschaft:
Die Umverteilung der laufenden Aufträge führt zu Überlastung, geringerer Produktivität und Frustration
Was kostet es ein Unternehmen, wenn eine Stelle unbesetzt bleibt?
Die sogenannte Cost of Vacancy (CoV) oder auch Vakanzkosten als betriebliche Kennzahl beschreibt die Kosten einer unbesetzten Stelle. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass jeder einzelne Mitarbeiter bzw. seine Arbeit einen bezifferbaren Anteil am Unternehmensumsatz erwirtschaftet. Das hieße im Umkehrschluss, dass dieser Anteil am Gesamtumsatz fehlen oder wegfallen würde, wenn es den Mitarbeiter und seine Arbeit nicht oder nur für einen verkürzten Zeitraum gäbe.
Cost of Vacancy
=
Bruttojahresgehalt / Ø Arbeitstage x Ø Time to Hire x Faktor
Time to hire = Anzahl der Tage, die es im Schnitt dauert, um die Position neu zu besetzen
Faktor = wirtschaftlicher Bedeutung der Stelle für das Unternehmen mit dem Faktor 1 (nötig, aber nicht wichtig),2, (wichtig) oder 3 (essenziell)
Beispielrechnung – Vakanzkosten bei Bauingenieuren
Im Hochbau werden dringend Bauingenieure gesucht. Laut Statista dauert die Neubesetzung offener Stellen allgemein im Hochbau 212 Tage. In dieser Zeit verliert ein Bauunternehmen ca. 81.400 Euro durch Nichtbesetzung.
Arbeitskosten pro Arbeitstag: 48.000 Euro / 250 Tage = 192 Euro
Produktivität pro Arbeitstag: 192 Euro x 2 = 384 Euro
Ø Kosten einer einzelnen Vakanz: 212 Tage x 384 Euro = 81.408 Euro
Angenommen das Unternehmen in unserem Beispiel könnte vom aktuellen Aufschwung in der Baubranche profitieren und dank Kundenanfragen mind. 15 neue Bauingenieure einstellen – dann ergeben sich als Kosten der unbesetzten Stellen:
Kosten aller 15 Vakanzen im Beispiel: 81.408 Euro x 15 = 1.221.120 Euro
Wenn Sie jetzt für Ihr Unternehmen kurz überschlagen wollen, was Ihre unbesetzte Stelle an Vakanzkosten produziert, können Sie folgende Faustregel nutzen:
Faustregel Vakanzkosten
Bruttojahresgehalt der unbesetzten Stellen / 250 Tage x 121 Tage x 2
Arbeitstage / Jahr: durchschnittl. 250 Tage
Durchschnittliche Vakanzzeit über alle Berufe: 121 Tage
Faktor: Wichtigkeit der Position für das Unternehmen, Multiplikationsfaktor 1 (nötig, aber weniger wichtig), 2 (wichtig) oder 3 (essenziell)
Wie Unternehmen den Druck vom Kessel nehmen können!
I. Betonen Sie regelmäßig den tatsächlichen Wertverlust unbesetzter Stellen im Unternehmen!
Vakanzkosten werden nicht monatlich vom Geschäftskonto abgebucht und sie stehen auch nicht als Wertverlust in der Bilanz. Wäre das so, würden wohl manche betrieblichen Entscheidungsträger mehr Dringlichkeit verspüren, unbesetzte Stellen schnellstmöglich zu besetzen.
Es könnte allerdings helfen, alle im Unternehmen dafür zu sensibilisieren, welche Chancen und Möglichkeiten man vergibt. Vielleicht kommen einige Geschäftsführungen doch zu der Einsicht, dass das Budget für die Rekrutierung aufgestockt werden sollte, um lange Vakanzzeiten und deren Folgen für das gesamte Unternehmen zu vermeiden.
II. Investieren Sie mehr Gedanken in die zukünftige Personalstrategie!
Unabhängig der Unternehmensgröße lassen sich verschiedene Möglichkeiten zur schnellen Stellenbesetzung nutzen:
Talent Sourcing
Als Arbeitgeber*in kann man selbst aktiv auf Kandidat*innen zugehen und somit die Vakanzzeit verkürzen. Diese Möglichkeit ist etwas zeitaufwendig, da man zunächst recherchieren muss, über welche Plattformen und Kanäle die Direktansprache erfolgen kann. Viele große Jobbörsen oder Business-Netzwerke ermöglichen aber inzwischen die Direktansprache.
Recruitingprozess optimieren
Würden Sie als Bewerber*in motiviert sein, wenn das Unternehmen, bei dem Sie ihr Interesse zur Mitarbeit bekundet haben, zwei Monate oder länger für den Auswahlprozess benötigt und in dieser Auswahlzeit nichts von sich hören lässt? Das ist immer noch keine Seltenheit und trägt natürlich auch dazu bei, dass die Vakanzkosten unnötig hoch sind. Unternehmen sollten Bewerber*innen grundsätzlich als „kostbares Gut“ ansehen und entsprechend mit ihnen umgehen. Wie viele Stufen benötigt also ein Auswahlprozess? Welche Möglichkeiten der Kommunikation mit dem Bewerber*in kann ich als Unternehmen einfließen lassen, damit das Interesse nicht verloren geht und von Beginn an ein wertschätzender Umgang gelebt werden kann?
Recruiting-Tools auf den Prüfstand stellen
Stellen Sie sich die Frage, was ein Recruiting-Tool für Ihr Unternehmen überhaupt können muss und wo Ihre Prioritäten liegen, z. B. Preis-Leistungs-Verhältnis, automatische Bewerbererfassung, nutzerfreundliche Bedienung oder DSGVO konforme Datenverarbeitung. Viele Anbieter von Recruiting-Software-Lösungen bieten inzwischen kostenlose Demoversionen zum Ausprobieren. Hier können sie also testen, ob ein geeignetes Tool ihren Recruitingprozess zeitlich optimieren und somit auch die Vakanzzeiten verkürzen kann.
Talentpool aufbauen
Aus früheren Bewerbungsprozessen gibt es unter Umständen Bewerber*innen, bei denen die Einstellung nur daran scheiterte, dass einer besser war oder man sich bei den Benefits nicht vollständig einigen konnte. Das kann bei einer zweiten Begegnung aber anders sein.
Wer Kontakte zu aussichtsreichen, ehemaligen Bewerber*innen hält, erhöht seine Chancen, künftig schneller geeignete Kandidaten einstellen zu können.
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