Handwerker dringend gesucht – vom Meister bis zum Lehrling

Handwerker-Mangel

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In Deutschland gibt es etwa eine Mio. Handwerksbetriebe in Gewerken von A bis Z vom Abrissunternehmen bis zum Zimmerer. Die mittelständischen Unternehmen oder auch Einzelbetriebe sind oftmals in Nachfolgegeneration familiengeführt.

Handwerker tun das, womit die Hobby- und Heimwerker überfordert sind sie bauen und montieren, warten und reparieren. Ohne das Handwerk mit seinen etwa 5,5 Mio. Beschäftigten zuzüglich gut 360.000 Lehrlingen läuft buchstäblich nichts.

Das merkt der Kunde allerspätestens im Alltag, wenn Bauhandwerker, Dachdecker oder Installateure dringend gebraucht werden. Die Wartezeiten bis zum ersten Termin betragen nach aktuellen statistischen Erhebungen nicht selten elf Wochen bis zu vier Monate Rekordwerte, die in naher Zukunft noch zulegen werden.

Aber wodurch das Ganze?

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes Deutsches Handwerk, kurz ZDH als bundesweiter Spitzenverband von gut 50 Handwerkskammern und etwa 40 Fachverbänden des Handwerks, nennt drei Krisen als Ursache, und zwar

• Fachkräftemangel
• Lieferengpässe
• Preissteigerungen

Diese Dreifachkrise ist eine Bedrohung für ganz Deutschland ob Ballungsgebiet oder ländlicher Bereich. Laut Schwannecke ist kaum zu verhindern, dass sich die Situation in nächster Zeit noch verschärfen wird.

Das Ergebnis Ein großer Stillstand im ganzen Land.

Nicht Geliefertes kann nicht verarbeitet werden

Lieferverzögerungen und Lieferkettenunterbrechungen sorgen für unberechenbare Unterbrechungen im Handwerk. Das Fehlen eines einzigen Bauteiles bringt alle Folgearbeiten zum Erliegen. Begriffe wie „on demand“ oder „just in time“ waren noch bis vor Kurzem das Nonplusultra in der Lieferkette. Heute wäre der Unternehmer froh darüber, wenn er denn selbst Materialien, Zubehör- und Ersatzteile horten könnte. Doch das klappt nicht.

Diese Lieferverzögerungen erzeugen im Handwerk einen Dominoeffekt als Kausalkette von der Herstellung über die Lieferung bis zur Verarbeitung im örtlichen Handwerksbetrieb.

Angebot und Nachfrage passen nicht mehr zueinander

Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sind zwei von mehreren Ursachen für eine Wirtschaftskrise, die mittlerweile weltweit zu spüren ist. Die Globalisierung der Wirtschaft war bis Anfang der 2020er-Jahre noch Top heute zeigt sie sich als Flop. Darunter leidet das Handwerk auch deswegen so stark, weil es verarbeitet und nicht selbst produziert.

Heute muss der Handwerksbetrieb das nehmen, was er kriegt zu den finanziellen Konditionen, die ihm vorgegeben werden Preiserhöhungen inbegriffen.

• Der Wohnungsbau verzeichnet Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent Tendenz steigend

• Der private Häuslebauer kann seine Hausbaufinanzierung gar nicht so schnell anpassen wie die Preise steigen. 20 Prozent Mehrkosten müssen erstmal finanziert werden können

• Das Branchenwachstum von gut sechs Prozent wird durch die Inflation vollständig neutralisiert übrig bleibt Null oder Minus

Fachkräfte- und Nachwuchsmangel im Handwerk

In den Gewerken des Handwerks sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Nicht das Generieren von Aufträgen ist das Problem, sondern ihre Ausführung. Zu den beiden Krisen Lieferengpass + Preisexplosion kommt der Personalmangel hinzu. Der ZDH hat aktuell einen Personalbedarf von rund 250.000 Fachkräften ausgemacht. Und auch in der Ausbildung hinkt das deutsche Handwerk dem Lehrlingsbestand vom Jahrtausendwechsel weit hinterher.

Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, erkennt diese eklatante Nachwuchslücke nicht nur im Handwerk, sondern auch in Handel und Industrie. Allein in seinem Kammerbezirk sind wenige Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch mehrere Tausend Lehrstellen unbesetzt.

Handwerk vs. Studium – die Frage der kommenden Jahre

Handwerker-Mangel Auszubildender

Wenn das Wasser von der Decke tropft, dann wird der Handwerker gebraucht und kein Studiosus!

Schnabel sieht an diesem Punkt die Politik und Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen in der Pflicht. Laut Statistischem Bundesamt waren zum Wintersemester 2020/2021 bundesweit nahezu drei Mio. Studierende eingeschrieben. Dabei, so der Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald Klaus Hofmann, ist der Verdienst eines Handwerksmeisters gegenüber dem des Akademikers auf die Lebensarbeitszeit gerechnet keinesfalls geringer. Wenn dann noch das handwerkliche Know-how für DIY oder für die Eigenleistung am Hausbau hinzugerechnet wird, wird der Akademiker vom Handwerksmeister erfahrungsgemäß deutlich abgehängt. Im Übrigen, betont der Präsident des bayerischen Handwerkskammertages Franz Xaver Peteranderl, könne der Handwerksmeister die jetzt laufende Energiewende aktiv gestalten, der Akademiker sie mit Diskussionen und Debatten hingegen nur verwalten.

Handwerksunternehmen suchen Nachfolgeregelung

Klaus Hofmann hat recherchiert, dass bundesweit rund 12.500 Handwerksbetriebe in den kommenden fünf Jahren von einer Nachfolgeregelung betroffen sind davon allein mehr als zehn Prozent im Südwesten. Damit verbunden sind Pflicht und Aufgabe, Handwerksunternehmen und Handwerk erfolgreich in das kommende Jahrzehnt zu führen. Dazu braucht es ausgebildete Fachkräfte vom Meister bis zum Gesellen mitsamt dem dazugehörigen Nachwuchs an Lehrlingen.

Düstere Aussichten für die Zukunft

Die Dreifachkrise im Handwerk lässt sich nicht kurz, sondern im Idealfall mittel- und nachhaltig erst langfristig, sprich in den kommenden ein, zwei Jahrzehnten lösen. Bis dahin müssen beide Seiten Handwerksbetriebe und Kunden mit einer höchst unbefriedigenden Situation leben, anders gesagt zurechtkommen.

Das Handwerk braucht ein ganz anderes, neues Image und Standing. Dem jugendlichen Nachwuchs muss bewusst gemacht werden, dass die berufliche Zukunft mit Arbeitsplatz- und Existenzsicherung nebst gutem bis sehr gutem Einkommen im Handwerk liegt.

Bei der Vielzahl und Vielfalt an Gewerken sollte es doch möglich sein, dass jeder Interessierte m/w/d einen Handwerksjob findet, der für ihn nicht nur Beruf ist, sondern im Idealfall Berufung sein kann.

Foto von Andrea Piacquadio
Foto von Andrea Piacquadio