Im April 2022 ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland ein weiteres Mal gesunken. Gleichzeitig spitzt sich der Fachkräftemangel zu, die Kosten für die Rekrutierung steigen. Um welchen Betrag genau, ist nur schwer zu ermitteln. Die Jobplattform Stepstone wollte es genauer wissen und hat die Kosten errechnet.
Neuer Höchstwert bei Rekrutierungskosten
Der Experte Tobias Zimmermann von Stepstone hat im April 2022 die jüngsten Zahlen des Arbeitsmarktes analysiert, und zwar die Zahl der Arbeitslosen ebenso wie die Zahl der ausgeschriebenen Stellen (branchenbezogen). Bei den ausgeschriebenen Stellen stellte er Rekordzahlen fest, auch die Arbeitslosenquote sinkt von einem Tiefststand zum nächsten. Zimmermann geht davon aus, dass Rekordwerte alsbald verfallen, es also in Zukunft noch viel mehr ausgeschriebene Stellen geben werde. Dabei ist die Entwicklung jetzt schon überaus beeindruckend: Zwischen März 2021 und März 2022 stieg Zahl offener Stellen um 55 %, wohlgemerkt von einem schon beachtlichen Niveau in 2021 aus. Spitzenreiter beim Anstieg der Stellenausschreibungen waren das Personalwesen und die Logistik: Hier gab es Zuwächse um über 80 %. Danach folgen die Pflegeberufe (+70 %) und das Handwerk (+67 %). Überall fehlen seit vielen Jahren die nötigen Fachkräfte. Für Zimmermann ist der Trend eindeutig: Der Fachkräftemangel spitzt sich immer weiter zu.
Folgen des Arbeitskräftemangels
Für Jobsuchende erleichtert es das Finden einer neuen attraktiven Stelle ganz eindeutig. Die meisten von ihnen sind davon überrascht, denn der Arbeitsmarkt befindet sich seit dem Frühjahr 2021 in einem Boom, den so niemand prognostizieren konnte. Nicht einmal der Ukraine-Krieg konnte die Entwicklung beeinträchtigt. So belegen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass die Arbeitslosenquote zuletzt im April 2022 auf 5,0 % sank, was ein Prozentpunkt weniger als im April 2021 und auch 0,1 % weniger als im März 2022 entspricht. Die Experten der Bundesagentur für Arbeit machen dafür zwei Entwicklungen verantwortlich: die übliche Frühjahrsbelebung und die Lockerungen der Coronamaßnahmen, so der BA-Chef Detlef Scheele. Auch bei der Bundesagentur stellt man fest, dass sich die Nachfrage nach Fachkräften weiterhin „auf hohem Niveau“ bewege. Eine weitere Bestätigung kommt vom Arbeitsmarktbarometer des Ifo-Instituts in München. Demnach steigt die Beschäftigungsquote permanent. Sie liegt im April 2022 deutlich über den Zahlen vor der Coronapandemie und hat auch das Niveau von Januar 2022 überschritten – ehe der Ukraine-Krieg begann. Das Ifo-Institut konstatiert eine ansteigende Beschäftigung in Deutschland. Lediglich die energieintensiven Industrien halten sich derzeit mit Einstellungen zurück, weil sie die Folgen möglicher Energieembargos gegen Russland noch nicht abschätzen können (Stand: Mai 2022).
Folgen des Arbeitskräftemangels für die Unternehmen
Für die Unternehmen hat der Arbeitskräftemangel vor allem zwei prekäre Folgen:
- Die Rekrutierungskosten steigen dramatisch.
- Die Firmen verlieren Geld, weil sie bei bester Auftragslage und guter technischer Ausstattung mangels Arbeitskräften nicht ausreichend produzieren können.
Unbesetzte Stellen kosten Geld. Wie viel das genau ist, unterscheidet sich zwischen den Branchen und ist insgesamt schwer zu beziffern. Im Jahr 2021 unternahmen dennoch drei Parteien gemeinsam den Versuch, die Kosten des Fachkräftemangels für die Wirtschaft zu ermitteln. Das Kölner IW (Institut der deutschen Wirtschaft), Stepstone und Kienbaum Consultants International errechneten in einer aufwendigen Studie, dass bis 2035 der Arbeitskräftemangel die deutsche Wirtschaft 326 Milliarden Euro kosten könnte. Auch die Kosten für Branchen, Berufsgruppen und unterschiedliche Unternehmensgrößen ermittelten die Autoren der Studie, die hierfür 600.000 Datensätze auswerteten. Der Durchschnitt pro unbesetzter Stelle beläuft sich demnach auf 29.000 Euro. Da im März 2022 die Bundesagentur für Arbeit 838.533 offene Stellen meldete, würden sich die aktuellen Kosten also auf 24,3 Milliarden Euro belaufen.
Zahlen für einzelne Unternehmen und Berufsgruppen
Ein eindeutiger Trend ist bei den Untersuchungen ablesbar: In großen Unternehmen mit vielen qualifizierten Arbeitskräften liegen die Kosten für unbesetzte Stellen noch höher. Im Detail bedeutet das:
- Die Kosten steigen bei über 250 Mitarbeitenden auf durchschnittlich 73.000 Euro.
- Für IT-Fachkräfte steigen die Kosten in großen Unternehmen auf 96.228 Euro.
- Für Ärzte und Pflegekräfte liegen sie sogar bei 97.414 Euro.
Um noch genauere Zahlen zu erhalten, haben die Statistiker von Stepstone durchschnittliche Tagesgehälter mit den Vakanzzeiten von Jobs in einzelnen Berufsgruppen zusammengefügt. Vakanzzeiten sind die Zeiten in Tagen, in denen die Stelle unbesetzt ist. Bei einer sehr konservativen Schätzung gingen sie lediglich vom Mindestwert der Arbeit eines Beschäftigten für das Unternehmen aus. Nach dieser Rechnung sind die teuersten unbesetzten Stellen die im Management. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Vakanzzeit für solche Stellen nur bei durchschnittlich 80 Tagen liegt, während sie für ITler auf 118 Tage steigt. Da diese ebenfalls erhebliche Mehrwerte erwirtschaften, sind bei konservativer Schätzung unbesetzte IT-Stellen die teuersten Ausfälle. Den wenigsten Schaden richten hingegen unbesetzte Stellen von Sachbearbeitern und Büroassistenten an.
Der Arbeitskräftemangel kostet Deutschland alljährlich viele Milliarden Euro. Damit ist der War for Talents wieder voll entbrannt.
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